Donnerstag, 4. Juni 2015

Kolumne (aus OCTANE #16) 



Claus Müller
In den letzten Jahren haben sich die Preise von Oldtimern teilweise mehr als rasant entwickelt. Irgendwie scheint spätestens der Direktverkauf des 1936er Bugatti Typ 57SC Atlantic durch das Auktionshaus Gooding & Company im Jahr 2010 die Dämme gebrochen zu haben. Nicht offiziell bestätigt wurde der Verkaufspreis von über 30 Millionen Dollar (damals ca. 23 Millionen Euro) – bis dahin das teuerste Auto der Welt. Ebenso wenig bestätigt wurde das Mullin Museum bzw. dessen Chef, Peter W. Mullin, als Käufer des Art Deco-Highlights. Jedenfalls steht es seitdem ebendort, gekennzeichnet als

Seit diesem Rekordpreis kamen absolute und typbezogene Rekordergebnisse in immer kürzeren Abständen: So wurde 2011 ein Ferrari 250TR von 1957 für 16,4 Millionen Dollar (ca. 12,5 Mio Euro) versteigert. Im Jahr 2012 wird ein Ford GT40 Gulf/Mirage 2012 für 11 Millionen Dollar, ca. 8,4 Millionen Euro, versteigert. Im gleichen Jahr kamen ein Ferrari 250 GT California Spyder LWB für 11,3 Mio Dollar (ca. 8,6 Mio Euro) und ein Mercedes 540K Spezial Roadster für 11,8 Mio Dollar (ca. 9 Mio Euro) unter den Hammer, während ein Ferrari 250GTO 35 Mio Dollar erzielte. Im nächsten Jahr, 2013, zahlte ein Bieter 12,8 Mio Dollar (ca. 9,7 Mio Euro) für einen Ferrari 340/375MM Competizione und der Mercedes W196R von 1954, der seinerzeit von Juan M. Fangio gefahren wurde, erzielte gar 29,7 Millionen Dollar (ca. 22,6 Mio Euro). Im gleichen Jahr markiert ein Ferrari 275 GTB/4 N.A.R.T. Spyder mit 27,5 Mio Dollar (ca. 20 Mio Euro) sein Revier und einen neuen Auktionsrekord. Und 2014 schließlich erzielte Bonhams in Kalifornien die stolze Summe von 38.115.000,00 Dollar für einen weiteren Ferrari 250 GTO. All das ist jedoch vergleichsweise preiswert, verglichen mit dem absoluten Spitzenpreis von 52 Millionen Dollar, die in einem Privatverkauf ebenfalls für einen Ferrari 250 GTO aus dem Jahr 1963 angeblich bezahlt wurden.

Sehr viele, sehr hohe Zahlen, zugegeben. Aber ist die Angst vor dem Platzen der Blase gerechtfertigt? Schließlich warnt man schon seit Jahren davor und trotzdem entwickeln sich die Preise rasant immer weiter nach oben. Und ist die teils derbe Kritik an dieser unglaublichen Preisentwicklung gerechtfertigt? Diese Frage stellt sich besonders, da die lauteste Kritik von den Leuten kommt, die sich – wie ich - diese Fahrzeuge ohnehin nicht leisten könnten, selbst wenn sie nur 1/10 ihres Preises kosten würden. Die aber Angst haben, dass im Sog dieser Entwicklung ihr Hobby irgendwann unbezahlbar wird.

Zuletzt hat die Auktion des „größten Scheunenfunds alles Zeiten“ im Februar in Paris für weltweites Aufsehen gesorgt. Die – darf man das überhaupt sagen? - Schrottfahrzeuge der Baillon-Sammlung erzielten scheinbar irrsinnige Preise, im Durchschnitt deutlich mehr als 500% vom Schätzpreis. Viele fragen sich, wo das hinführen soll. Sie zweifeln gar an der Zurechnungsfähigkeit mancher Käufer, die praktisch für einen Haufen Rost den gleichen Preis bezahlen, für den sie bei einer anderen Auktion, am gleichen Wochenende, in der gleichen Stadt, das gleiche Auto, allerdings im Zustand 1, bekommen hätten.

Doch Vorsicht mit vorschnellen Urteilen! Der Markt ist längst nicht mehr auf Europa und USA begrenzt. Asien holt auf und wird künftig noch für so manche Überraschung sorgen, da wir immer noch nicht mit den neuen Umständen umgehen können. So gibt es dort Länder, die 220 % Importzoll für Oldtimer erheben. Ein € 80.000-Fahrzeug kostet mit 15 % Aufgeld zunächst mal € 92.000. Dazu kommt der Transport und mit ein paar sonstigen Nebenkosten sind wir schnell bei runden € 100.000. Der Zoll würde dann weitere 220.000 Euro ausmachen, was dem asiatischen Käufer einen Endpreis von € 320.000 bescheren würde, bis der Wagen zuhause ist. Kauft er hingegen das gleiche Auto, nur eben als Schrottfahrzeug, beträgt der Zoll nur 10 %. Die Rechnung sieht jetzt so aus: Bis zu den € 100.000 ist alles gleich. Aber dann wird es interessant, denn es fallen nur € 10.000 als Zoll an, macht € 110.000. Lässt er den Schrott jetzt zuhause in Asien für, sagen wir, weitere € 110.000 in den Zustand 1 versetzen (ja, die können das auch in Asien!) landet der vermeintliche „Schwachkopf“ bei einem Gesamtpreis von € 220.000 und spart sich somit glatte 100 Tausender, was ihn schlagartig zum scharf rechnenden, coolen Geschäftsmann befördert. Also lieber erst schlau machen, dann rechnen und erst dann kritisieren – wenn es jetzt überhaupt noch einen Grund dafür gibt. Das bedeutet natürlich nicht, dass fortan jeder Schrott Mondpreise erzielen wird und Richtung Asien verkauft wird. Aber: Asien wacht auf und wir müssen uns künftig damit abfinden, dass dort andere Gesetze und Herangehensweisen gelten. Trotzdem müssen wir wohl nicht befürchten, dass diese Preisentwicklung bis zu den „normalen“ Oldtimern durchschlägt - von aktuellen Einzelfällen wie Porsche 911 vielleicht einmal abgesehen.

Aber irgendwie verstehe ich den Multimillionär oder gar Milliardär in seiner Gedankenwelt: Man stelle sich nur mal vor, man hat – sagen wir – 600 Mio. Dollar auf dem Konto. Und - seit man ein 15jährige Junge war – den großen Traum, einmal einen Ferrari 250GTO zu besitzen. Gibt es ein druckfähiges Wort dafür, wie egal es eigentlich ist, ob dieses Auto, wenn es jetzt schon einmal zu verkaufen ist, 30 oder 40 oder 50 Millionen Dollar kostet? Und man den Erben dann statt 600 nur 550 Millionen und ggf. ein tolles Auto hinterlässt? Mir jedenfalls wäre das vollkommen gleichgültig. Genauso wie es mir in diesem Fall vermutlich gleichgültig wäre, was mein Kauf für einen Impact in der Oldtimerszene hinterlässt.










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